Fotografien einen verfallenen Pigmentfabrik

Turin liegt im Nordosten Italiens, ist knapp eine Millionenstadt und die Wiege der Einigung des Landes, von der man heute aber besser nichts mehr hören möchte.

Die Stadt hat ein sehr schönes, barockes Zentrum mit geraden, breiten vialen (Alleen) und controvialen (parallel dazu verlaufenden Nebenstraßen), welche die Savoyer Fürsten einst anlegen ließen, als hätten sie damals schon gewusst, dass von hier aus bald das ganze Land automobilisiert werden würde.

Mit dem ersten Weltkrieg ist FIAT, die „fabricca italiana di automobile di Torino“, so richtig groß geworden und hat die Stadt und ihre Geschwindigkeit verändert.

In rascher Folge entstanden zahllose neue Fabriken, die direkt, oder indirekt mit dem FIAT-- Konzern zusammenhingen und die „meridionali“, die Süditaliener kamen, um in ihnen zu arbeiten. Die Rationalisierungswellen haben ihre Spuren hinterlassen. Viele dieser Fabriken stehen nun leer. Große Areale sind im Verfall begriffen und unterstreichen, besonders an nebligen Tagen, den morbiden Charme der Stadt. Eine dieser Fabriken war die „fabricca dei colori“, die Farbenfabrik, die über zwanzig Jahre leer stand. Zur Jahrtausendwende ist sie entgültig abgerissen worden.

Über zehn Jahre habe ich diese Fabrik mit dem Fotoapparat beobachtet. Es wurde immer schwerer hineinzugelangen, nicht nur, weil die Zäune erhöht worden sind, sondern auch, weil in den Räumen der Dschungel wuchs und der Regen die Pigmentberge in Sümpfe verwandelt hatte.

Immer hielt die fabricca dei colori eine Überraschung für einen bereit, eine neue Kombination von Ungereimtheiten, und das ganze Gelände änderte sich in den Jahren des fortschreitenden Verfalls auf wundersame Art.

Dächer wurden undicht, Wasser lief in Pigmenttröge und ließ diese bersten. Es brannte mehrere Male und die großen Granitmalsteine fielen aus ihren Verankerungen, Pigmentberge mit sich reißend.

Gleichzeitig hielt die Natur Einzug. Versorgt durch die Sonnenstrahlen, die durch die immer größer werdenden Löcher in den Wänden und Dächern in die dunklen Räume zu brechen begonnen hatten, eroberte sie Winkel für Winkel des feuchten und verseuchten Bodens. So treffen die unglaublichsten Dinge zusammen: Ein grüner Farn neben einem Berg von roten Pigmenten; frischestes Gelb dringt durch ein durchgerostetes, eisernes Behältnis.....

Die hier gezeigten Fotos sind nur eine kleine Auswahl.

Verwendete Technik: Kleinbild und 6 x 6 Mittelformat auf niedrigempfindlichen Farbfilmen. Es wurde ausschließlich mit Stativ fotografiert. Die Belichtungszeiten lagen bei bis zu 5 Minuten.

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