In Zusammenarbeit mit den Angehörigen möchte ich Grabzeichen entwickeln, die in Form und Material unverwechselbar mit dem Verstorbenen in Verbindung stehen.
Ich nenne diese individuellen Grabzeichen „denkwerke“, weil vor ihrer Realisierung ein geistiger Prozess steht.
Erzählen Sie mir von dem Verstorbenen. Welche Farben, Landschaften, Baustile, Möbel, Pflanzen, usw. hat er gemocht? Liebte er das Meer oder das Gebirge? Was waren seine Abneigungen? Wie war seine Lebensanschauung? Womit hat er seinen Tag verbracht?
So finden wir das passende Material und die einzigartige Form, denn jeder Mensch ist einzigartig und die Welt würde sich anders drehen, hätte es ihn nicht gegeben.

Für mich rührt die Auseinandersetzung mit der menschlichen Seinsflüchtigkeit an den Grundfesten von Humanität, Religion und Kultur überhaupt...

Individuelle Grabsteine, besondere Grabzeichen, "denkwerke" für Menschen

Zu den antiken Exerzitien gehörte es, sich auch den Tod vorzustellen, den Moment des Sterbens geistig vorwegzunehmen, um in der Situation, wenn sie da ist, nicht vollkommen unvorbereitet zu sein. Auf der Höhe des Bewusstseins dem Tod in die Augen sehen, möglichst oft an ihn denken, ja sogar "im Denken Umgang mit dem Tod pflegen", wie der Philosoph Michel de Montaigne im 16. Jahrhundert sagte. Wer sich der eigenen Todesangst im Denken stellt -der kann wieder vorbehaltlos gut sein, er wird sich für andere Menschen einsetzen, ohne die Angst, "etwas zu verlieren" (Immanuel Kant). Entgegen dem landläufigen Verständnis wird ein individuelles Grabmal nicht in erster Linie für einen verstorbenen Menschen erdacht und errichtet. Es sind vielmehr die Überlebenden, die mit dem Tod eines ihnen nahe stehenden Verwandten, Freundes oder Ehepartners weiterleben müssen. Das Grabzeichen ist so etwas wie eine "haptische Krücke". Der Stein kann mit den Händen berührt und ertastet werden im Gegensatz zu den Gedanken und Erinnerungen an einen Verstorbenen. Die Auseinandersetzung mit einem Grabstein ist immer auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Seinsflüchtigkeit und dem Sinn, den wir in allem suchen und gerade deshalb auch interessant für Menschen, die voll im Leben stehen und bislang wenig Gedanken an den eigenen Tod verschwendet haben. Fast 80 dieser speziellen und unverwechselbaren Grabzeichen, die ich "denkwerke" nenne, haben meine Werkstatt, welche ich in Berlin/Mitte auf dem ehemaligen Todesstreifen der Berliner Mauer betreibe, verlassen. Jedes ist bei seiner Herstellung und bei seiner Aufstellung auf dem Friedhof fotografisch dokumentiert worden. In Absprache mit den Angehörigen wurde zu jedem ein Text verfasst, worin die Geschichte seiner Formfindung im Zusammenhang mit einer Kurzbiographie des Verstorbenen erläutert ist. Ich habe mich bemüht, die Geschichten, die hinter diesen individuellen denkwerken stehen, mit einfachen, fast kindlichen Worten zu beschreiben. Die Texte sind weniger interpretatorisch als vielmehr deskriptiv.